Sonntag, 22. Mai 2011
Minami-Soma
Minami-Soma
Mi. 18. 05. 2011
Gestern (17. Mai) kam mein ehemaliger Klassenkamerad, Soroku Ozawa, extra aus Tokyo, um mir sein Auto zu bringen. Das Auto ist ein Toyota Harrier, Typ Wagon 2000 cc. Für mich gibt es 3 Neuigkeiten: es ist erstens automatisch wie fast alle japanischen Autos. Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, den Motor anzulassen, ohne auf den Schaltpedal zu drücken. Man hat das Gefühl, dass das Auto dann sofort losfährt und der Motor abgewürgt wird, obwohl ich mit dem Auto von Tomokazu Mitsuhashi schon etwas Erfahrung gesammelt habe. Zweitens sitzt der Lenker auf der rechten Seite, und er muss links fahren. Auch diese Erfahrung habe ich schon etwas. Drittens ist das Auto von Soroku Ozawa viel breiter als die übrigen. Irreführend ist dabei, dass es links vorne einen kleinen Rückspiegel gibt, um den Boden und das linke Rückrad zu sehen. Am Anfang dachte ich spontan, dass dieser Spiegel den äußersten Rand markiert. Fatalerweise ist aber der eigentliche große Seitenrückspiegel etwa 15cm mehr draußen. Wenn man also nach dem vorderen kleinen Rückspiegel orientiert, hat man noch nicht alles ausgewichen, zumal die japanischen Straßen sehr eng sind und man beim Vorbeifahren mit den entgegenkommenden Autos sehr dicht an den Rand ausweichen muss. Das Fazit ist, dass ich bei der ersten Fahrt – ich wollte den guten Ozawa zum Bahnhof bringen und gleichzeitig ihm die Angst davon nehmen, mir sein Auto ausgeliehen zu haben – an der Rückseite des gesagten großen Seitenrückspiegels einen Kratzer gemacht habe. Zum Glück ist er nicht der erste und der einzige, weil es schon 10 Jahre auf den Straßen ist. Aber der Effekt ist fatal. Er war bestimmt entsetzt, auch wenn er das nicht so zeigte. Ich meinerseits verlor das Vertrauen auf mein Gefühl zum Abstand, das ich von den Budo-Übungen her immer noch zu haben glaubte. Jetzt weiß ich, dass die Hauptursache davon daher rührt, dass ich den kleinen und den großen Spiegel für gleich-außen gehalten hatte.
Mittlerweile bin ich schon gestern einkaufen gefahren und auch heute in Minami-Soma gut angekommen. Am einfachsten ist natürlich auf der Autobahn. Ich fahre höchstens 130 km/h, aber meistens darunter. Denn erlaubt ist offiziell – wie gesagt – nur 100 km/h, auch wenn manche sogar 140 fahren. Ich sollte mich aber davor hüten, von der Polizei kontrolliert zu werden mit meinem trügerischen „internationalen“ Führerschein. Die Autobahnen sind übrigens an vielen Stellen schwarz mit Teer gefleckt. Dafür sind die Straßen aber schon wesentlich glatter geworden.
Vorhin war ich kurz in Soma - ohnehin muss man einmal bis Soma „hoch“ fahren, um die gesperrten südlichen Gebiete auszuweichen – und habe an einem Kindergarten Säfte und Kekse abgeladen, sowie für die Betreuerinnen die Anti-UV-Strahlen-Milch mit einem kosmetischen Touch geliefert. Übrigens habe ich von Kamakura aus für die Damen in Miyako Kosmetika und BHs schicken lassen, weil sie sich das wünschten. Ihr seht, was ich noch in meinen alten Tagen alles tue :-) Für diesen Zweck habe ich allerdings meine alte Kirchenkameradin Hiroko Sudo eingespannt, die mich damals beim Tischtennis-Spiel immer geschlagen hat. Übrigens war sie als Schülerin eine hochtalentierte Schwimmerin und Springerin. Sie wurde als ein großes Talent entdeckt. Als Ihr Trainger von ihr aber erwartete, dass sie täglich 100 Male vom 10-Meter-Brett runterspringen sollte, hat sie dem Angebot den Rücken gekehrt. Nun, ich habe zum ersten Mal erfahren, welche verschiedenen BHs und welche Foundations, Lippenstifte und Eyeshadows gibt. Die Vielfalt in der Kosmetik-Abteilung des Großhandels hat mich zum Staunen gebracht. Was alles die Damen für ihre Schönheit tun! Die Händler in dieser Branche können bestimmt gutes Geschäft machen.
Übrigens hat die Hort-Chefin selbst ihr Haus verloren und wohnt nun bei ihren Verwandten. Sie sagt aber, dass es keine Zeit gibt darüber nachzudenken und zu trauern, denn die Kinder haben z.T. Schlimmes erfahren und brauchen guten Beistand.
Es ist in diesem Hort schon eine Prozedur, dass die Betreuerinnen mit den Kindern die Hilfstransporter begrüßen mit einer papiernen Medaille, die die Betreuerinnen selber gemacht haben. Danach wird zusammen fotographiert. Die Kinder sind ganz ganz süß und schon für diese Begrüßung allein lohnt es sich dorthin zu kommen, aber ich hoffe, dass es für die Kinder nicht zu viel wird mit der Zeit.
Dass ich jetzt so ausführlich schreibe, kommt daher, dass ich wieder keine Internet-Verbindung und im Hotel sonst praktisch nichts zu tun habe. Mein pocket wifi versagt und verlangt von mir das Kennwort, das ich ihm natürlich gebe aber nichts nützt. Im Hotelzimmer ist eine Internet-Büchse, aber es gibt keine passende Kabel. Diese technischen Bremsen machen mir schwer zu schaffen. Eigentlich hätte ich Euch insgesamt viel schneller Informationen geschickt. Außerdem hätte ich viel mehr das Eigentliche machen können.
Ich bin direkt zum Hotel gefahren, so dass ich noch nicht das Meer und die Küstengebiete gesehen habe. Vielleicht mache ich das wieder morgen früh beim Spaziergang. Der Weg von Soma bis hierher nach Minami-Soma sieht ganz normal aus. Auch der Straßenbetrieb scheint alltäglich wie sonst zu sein.
So erzähle ich etwas, das ich in den letzten Tagen im hiesigen Fernsehen erfahren habe. Denn fast täglich verfolge ich die Nachrichten, damit ich die Lage gut im Kopf habe und gegebenenfalls ihr entsprechend handeln kann. Wenn 30,000 Legehühner massenweise sterben, weil es nichts mehr zu fressen gab, dann ist das für manche Ohren vielleicht nur eine neutrale große Zahl. Ich bin zwar sicher nicht für die Legebatterie, aber wenn man hört, dass der Besitzer 1950 mit 50 Hühnern angefangen hat und sein Geschäft groß gezogen hat, dann versteht man seine Trauer. Wenn es aber um ein Dutzend Milch-Kühe handelt, die ein Bauer wie eigene Kinder aufgezogen und um sie gekümmert hat, dann ist unser Mitgefühl noch größer. In meinem Leben habe ich noch nie um die Kühe geweint. Wenn du aber siehst, dass sie in der Evakuierungszone absichtlich nur wenig Nahrung bekommen, damit sie nicht so viel Milch produzieren, und deswegen ganz mager werden, dass die Knochen so hochstehen, wächst unsere Trauer. Wenn du aber siehst, dass dieser Bauer sich schweren Herzens entschließt, den Hof aufzugeben und seine geliebten Kühe schlachten zu lassen, und dass diese eine nach der anderen in einen großen Lastwagen der Schlächterei geschleppt werden, während sie sich mit letzter Kraft dagegen stemmen, dann ist in mir Holland in Not. Es gibt in dieser Welt wahrlich viel Not und Leid. Warum müssen wir etwas noch dazuzufügen? Gedankenlosigkeit? Manchmal schon, aber manchmal ist sie unverzeihlich.
Nun kam die Nachricht, dass ein 21-jähriger Ehemann das Baby von ihm und seiner 34-jährigen Frau zu Tode gequält hat. Das Baby ist gerade 3 Monate alt geworden. Man sagt, seine Tat rühre von der Eifersucht her. Er hätte seiner Frau gesagt, „Welcher ist für Dich wichtiger, das Baby oder ich?!“. Er hat sogar das kleine Arm des Babys am Ellbogen gebrochen. Ich versuche immer, auch über die schlimmsten Taten auf den Hintergrund des Täters hin zu fragen. Es gibt aber Dinge, die einfach nicht sein dürfen. Dürfen die AKWs sein, mit so viel Risiko für die Menschen, die Tiere und die Natur? Die Gedankenlosigkeit? Ja, durch die Gedankenlosigkeit der Massen hat man auch 6 Millionen Juden hingeschlachtet. Haben wir überhaupt die Chance, uns dauerhaft zu bekehren, und nicht nur für 3 Monate nach einer Katastrophe, wenn überhaupt? Der göttliche Urgrund unseres Daseins erbarme sich unser!
Do. 19. 05. 2011
Der Hotel-Betrieb scheint gänzlich wiederhergestellt zu sein. Heute morgen gab es einen typisch japanischen Frühstück mit dem getrockneten Seetang (Nori), gegorene Soja-Bohnen (Natto), dem Ei, gebratenen Lachsfilet, Reis, Miso-Suppe und andere Kleinigkeiten. Dazu den grünen Tee und Kaffee.
Zuerst fahre ich zum Seiai-Kinderhort, eine evangelische Einrichtung. Er ist etwa 24-25 km vom demollierten AKW „Fukushima 1“ entfernt. Logischerweise ist sie offziell geschlossen. Es gibt aber nicht wenige Leute, die zurückkommen, weil sie das Leben im Flüchtlingslager nicht länger ertragen. Wenn die Eltern dann arbeiten oder einkaufen gehen, können sie ihre Kinder im Hort lassen. Das ist ein freiwilliger Service der Betreuerinnen. Für diesen Fall brauchen sie auch etwas zum Essen und Trinken. Diese Sachen habe ich Frau Endo gegeben, die Leiterin dieses Hortes ist. Sie weiß nicht, ob der Kinderhort bestehen bleiben kann. Denn viele Familien mit Kindern wollen nicht in diese gefährliche Zone zurückkommen, solange die AKWs das Problem nicht gelöst haben.
Ihr Wunsch ist ein Geiger-Zähler, damit sie für die Sicherheit der Kinder sorgen können. Denn die Messungen, die vom Stadtbeamten durchgeführt werden, sind nicht sehr häufig. Und in Japan kann man keinen mehr kaufen. Es wäre gut, wenn die Deutschen, die sicher nicht in einer akuten Gefahr stehen, sich beherrschen und nicht so viele Geiger-Zähler kaufen würden. Dann gehen sie dahin, wo sie wirklich akut gebraucht werden. Meine Frau hat schon berichtet, dass man sich auf eine lange Wartezeit einstellen muss, wenn man einen neuen kaufen möchte. Auch ein Gebrauchter ist schon doppelt so teuer geworden, weil es so viel Bedarf unter den Deutschen gibt. Es ist schon ärgerlich, wenn man mit über 600 Euro einen Gebrauchten kauft, und er nach kurzer Zeit defekt hat.
Anschließend war ich am Meer, an der Grenze zur 20-km-Verbotszone. Mehrere Soldaten überwachten die Straßen. Die Küstengebiete sind wie auch in anderen Orten völlig zerstört. Nach der Foto- und Film-Dokumentation fuhr ich zu einem Behindertenwerk, das Frau Endo vermittelt hat. An sich hätte ich auch zum Zentrum für die freiwilligen Helfer/-innen gehen können. Aber die amtliche Handlung der Anmeldung usw. nimmt zu viel Zeit. Außerdem muss man schon um 16 Uhr Schluss machen. Ich neigte von vorne herein, jemanden direkt zu fragen. Es gibt sehr viele Leute, die Hilfe brauchen, aber nicht bekommen. Es ist etwas schwach, wenn man weit entfernt wohnt und nicht zum Helfen kommt, weil der offizielle Weg nicht geöffnet wird. In solchem Notfall muss man erst bei den Betroffenen sein. Dann öffnet sich der Weg zum Helfenkönnen. Ich finde es prima, wenn das Behörde ein offizielles Angebot macht. Aber wenn man nur darauf wartet, dass es gemacht wird, dann lässt man viele Menschen in Not im Stich.
Nun kam ich zum Behindertenwerk und sollte nachmittags eine Arbeit bekommen. Da ich bis dahin anderthalb Stunden hatte, fuhr ich wieder in die Küstengegend und aß mitten in den kaputten Häusern mein Mittagessen, das ich in einem wiedergeöffneten Supermarkt mit etwa 4 Euro gekauft habe. (Übrigens zahle ich mein Essen bis auf das letzte Cent selbst, damit die Spendengelder gut bei den Betroffenen ankommen.) Ja, ich aß seelenruhig mitten in dieser Misere und bin überzeugt von meinem Tun. Denn ich muss arbeiten für die Betroffenen. Wenn die Helfer vor lauter Mitleid nicht essen und eingehen, nützt das niemandem. Die Helfer müssen starkt sein, ja brutal stark sein. In meinem Herzen denke ich aber an die Menschen, die hier ihre geliebten Menschen verloren haben. Ja, ich denke an ihre große Trauer. Gerade deswegen muss ich stark sein und darf nicht vom Gefühl der Trauer verschlungen werden. Stattdessen verschlinge ich mein Mittagessen mitten in dieser Vernichtung!
Fr. 20. 05. 2011
nun schreibe ich die Fortsetzung von gestern. Leider ist die Internetverbindung immer noch nicht wiederhergestellt. Nun glaube ich, dass dieses Macbook Air heikel ist, denn mein iPhone schafft die Verbindung zum pocket wifi mittlerweile.
Nach dem Mittagessen fuhr ich zum „Peanuts“ (so heißt die Einrichtung für die geistig Behinderten. Die privaten Betreiber haben noch 2 weitere Einrichtungen, und diese haben die Namen der Bohnen.) zu Frau Kori, die Frau Endo des Kinderhorts telefonisch für mich angefragt hat. Die beiden Damen sind gut befreundet und arbeiten zusammen. Das Haus Peanuts war nicht direkt vom Tsunami betroffen. Die Welle mit der vernichtenden Energie kam bis etwa 1.5 km landeinwärts, auch wenn das Wasser weiter hineinkam. Das Haus „Peanuts“ liegt aber etwa 2.5 km vom Meer entfernt.
So. 22. 05. 2011
Gestern bin ich heil aus Minami-Soma zurückgekehrt. Mein ehemaliger Schulkamerad Soroku Osawa ist mit dem Zug extra aus Tokyo nach Kamakura gekommen, um sein (heilgebliebenes) Auto abzuholen.
Anschließend bin ich von den 16 ehemaligen Schul-Kameraden des Tennis-Klubs zu ihrem Jahrestreffen eingeladen worden. Nicht nur, dass ich umsonst Feines essen und trinken durfte, sondern sie haben auch die Spendengelder gesammelt, obwohl einige von ihnen schon reichlich gespendet hatten. Insgesamt kam fast 1200 Euro zusammen.
Die Einrichtung in Minami-Soma darf eigentlich nicht geöffnet sein. Innerhalb von 20 bis 30 km vom havarierten AKW entfernt müssen alle älteren Menschen, Kinder und Behinderten das Gebiet verlassen. Denn sie können nicht bei einem Notfall schnell das Gebiet verlassen. Einige konnten es aber am Anfang unmöglich verlassen, weil es kein Benzin gab oder weil es keinen entsprechenden Ort für sie außerhalb. So hat die Präfektur akzeptiert, dass die Einrichtung weiter betrieben wird. Nur müssen die Verantwortlichen dafür sorgen, dass der Umzug notfalls zügig vorangetrieben wird. Ich habe mich mit einer zuständigen Dame und den 2 Freiwilligen bei dieser Vorbereitung geholfen. Diese bestand darin, dass ein Lager geräumt wurde. Ein Teil wurde zu einer Müllsammelstelle und ein anderer Teil zu einem anderen Lager außerhalb der 30 km Zone wegtransportiert. Nach zwei Tagen war das Lager noch lange nicht fertig geräumt, aber schwerere Arbeiten wurden schon getan.
Es stellte sich heraus, dass die Verantwortlichen dieser Einrichtung, Herr Aota und Frau Kori, über die eigentliche Aufgabe hinaus - der akuten Situation entsprechend – sehr Wichtiges leisten. Die Zeit ist nämlich schon vorbei, dass man die allgemeinen Güter nach dem eigenen Ermessen zum Katastrophengebiet schickt. Im Prinzip gibt es Waren in den wiedergeöffneten Supermärkten. Es gibt aber Menschen, die sie nicht kaufen können, weil sie kein Geld haben. Prinzipiell können sie zu den behördlichen Stellen gehen und um die Waren bitten. Aber manche schämen sich wiederholt dorthin zu gehen. Herr Aota und Frau Kori kennen diese Menschen persönlich, und für diese Menschen ist die Schwelle dieser Wohltätigkeitseinrichtung bei weitem nicht so hoch wie der behördlichen Stelle. So können sie das Nötige selbst anschaffen und den Leuten zwangslos anbieten. Die Leute wiederum bieten an, für die Einrichtung etwas zu tun, weil sie nicht nur empfangen wollen. Ich habe Frau Kori empfohlen, diese Bitte der Menschen zuzulassen, damit sie auch ihre eigenen Werte empfinden können.
Jedenfalls habe ich mich entschlossen, ab jetzt diese Einrichtung hauptsächlich zu helfen. Nachdem ich meine Aktivität hier beendet habe, werde ich die Spendengelder, die mir zur Verfügung stand und noch steht ihr zukommen lassen. Denn Minami-Soma hat vierfaches Leiden: Erdbeben, Tsunami, AKW-Gefahr und Gerüchteschäden (Obwohl die Radioaktivität im Vergleich zu näheren Gebieten relativ niedrig ist, ist die Stadt als Gefahrzone gebrandmarkt, so dass die Hilfstransporter nur zögerlich hineinkommen und die Waren der Stadt vermieden werden). Ryusuke Okano und Tomokazu Mitsuhashi sollen wie bis jetzt je 1/3 erhalten.
Diesmal fühlte ich mich vollends bestätigt, dass es sehr wichtig ist Mut zu haben, zu den leidenden Menschen zu gehen. Wenn man darauf wartet, dass das Behörde für dich den Weg zur Hilfsaktion ebnet, lässt man viele Menschen im Stich, auch wenn der behördliche Weg natürlich auch wichtig ist.
Auch diesmal fühlte ich die große Solidarität unter den Japanern. Meine Mitstreiter/-innen kamen diesmal aus Kyushu (die südlichste von den großen 4 Inseln), aus der Chiba-Präfektur und der Yamagata-Präfektur. Einer erzählte mir, dass er im Zug eine ältere Japanerin traf, die extra aus den USA kam. Es sind tolle Begegnungen, in denen ich auch Deutschland miteinbeziehen kann. Denn die Leute interessieren sich für Deutschland und fragen mich darüber.
Morgen fahre ich zur letzten Mission nach Shiogama (nordöstlich von Sendai) zusammen mit meinen ehemaligen Klassenkameraden Akira Koto und Tomokazu Mitsuhashi, der einen jungen Mann mitbringt.
In dieser Gelegenheit danke ich auch den anonymen Spendern/-innen sehr herzlich. Gott wird ihre guten Taten schauen und ich bete für sie genauso wie für die mir namentlich Bekannten.
Diesmal veröffentliche ich diese Zeilen ohne meinen jüngsten Sohn um die Korrektur zu bitten, weil ich später keine Zeit mehr haben werde.
Herzliche Grüße an Euch alle Michael Daishiro Nakajima
Sonntag, 15. Mai 2011
Wieder in Soma
„Wieder in Soma“ (geschrieben am 10. Mai 2011, nachts)
Vorgestern und heute war ich unterwegs, um für meinen Bruder eine Einrichtung zu suchen. Mittlerweile habe ich auch eine schöne gefunden, aber sie liegt nicht im Arakawa-Bezirk von Tokyo, und nicht einmal in Tokyo, sondern im Totsuka-Bezirk von Yokohama. Das bedeutet jede Menge amtliche Hürden, wenn man weiterhin die finanzielle Unterstützung des Bezirks in Anspruch nehmen möchte. Mein Bruder ist völlig mittellos, und mehr als 1000 Euro monatlich kann ich mir auch nicht leisten. Mal sehen...
Übrigens war Herr Matsushige, dessen Firma ihren Sitz in unserem Haus hat, den ganzen Sonntag mit seinem Auto für uns unterwegs. Eigentlich war das einer seiner seltenen Ruhetage. Ich staune immer wieder über seine Hilfsbereitschaft.
Am Samstag, 7. Mai, war ich wieder mit Ryusuke und Mikio in Soma. Abfahrt war wie beim letzten Mal gegen 1 Uhr nachts. Diesmal hatte ich den internationalen Führerschein dabei, so dass ich auch eine Teilstrecke hätte fahren können - Mikio ließ mich aber nicht. Erstens scheint er gern zu fahren und zweitens wollte er mich wohl schonen. Auch diesmal haben wir eine sehr gute Unterhaltung geführt. Nicht nur die Themen, sondern auch unsere „Chemie“ scheint zu stimmen. Übrigens musste ich beim Versuch, für nächste Woche ein Auto zu leihen, feststellen, dass der internationale Führerschein aus Deutschland in Japan nicht gültig ist. Es gibt in vielerlei Hinsicht unerwartete Hürden. Oh je…
Da wir sehr früh am Morgen ankamen, haben wir das südliche Ufer von Matsukawa-Ura besichtigt. Wir standen wieder vor den Trümmern einer total vernichteten Siedlung. Einige Leute, deren Häuser dort einst standen, waren dabei, nach den Überresten ihrer Habseligkeiten zu suchen. Einer fand 3 große Gartensteine, die – wenn er sie nicht vorher aufsammelt – von der Stadt oder von der Armee zusammen mit all den anderen zahllosen Steinen beseitigt werden würden. Es fand sich auch eine leicht beschädigte Schnitz-Figur eines Bärs mit einem Fisch im Maul. Ich dachte daran, sie mit nach Deutschland zu bringen, damit ich sie den Leuten bei einem evtl. Vortrag oder einer neuen Spendensammelaktion als Symbol für die Zerstörung, bzw. Hoffnung bzw. Rettung im totalen Chaos zeigen kann. Denn Ich glaube, sie wird andernfalls als Schutt beseitigt werden. Immerhin sind fast 8 Wochen vergangen, ohne dass sie jemand geborgen hat. Aber Ryusuke war dagegen. Ich verstehe seine Bedenken, man darf die minimale Möglichkeit, dass der/die Besitzer/in sie wiederfindet, nicht ausschließen. Ich ließ sie auf den Überresten einer Mauer stehen. Allein hier sollen 250 Menschen durch die Welle gestorben sein.
Danach gingen wir wieder zu Frau Niizuma, die gerade am Frühstücken war. Eine junge Dame aus Hokkaido, deren Mann als Tierarzt in einem Ponyhof hilft, stieß zu uns. Zu fünft gingen wir in eine Gegend, die berühmt für ihre in Treibhäusern gezüchteten Erdbeeren ist. Leider wurden viele Treibhäuser vom Tsunami vernichtet. Die gesamte Ernte von Bauer Tateyama wurde vernichtet. Wir sahen nur noch traurige braune Überreste. Er hat insgesamt 8 Treibhäuser, die etwa 4 m breit und 30 m lang sind. Jetzt muss er ganz neu anfangen. Er meinte, er würde etwa 5 Jahre keine Erträge haben, weil der Boden völlig versalzen ist. Jedenfalls muss er – abgesehen von den äußeren Gerüsten - alles einmal wegmachen. Wir haben also die ganzen Folien und die inneren Metallgerüste beseitigt, aufgerollt und zusammengebunden. Wir konnten aber an diesen Tag, aus zeitlichen Gründen, die salzige Erde in den Treibhäusern nicht beseitigen. Trotzdem war Herr Tateyama sehr dankbar für unsere Hilfe, denn alleine hätte er dafür mindestens 10 Tage gebraucht. Schon das Beseitigen der durch Dreck schwer gewordenen und zerissenen Folien war Schwerst-Arbeit. Die beiden Damen haben wirklich gut gearbeitet, sie standen uns Männern in nichts nach. Ich ziehe auch den Hut vor Frau Niizuma, die jeden Tag derartige Hilfeleistungen erbringt!
Am Ende wurden wir mit guten Erdbeeren belohnt, die ein anderer Erdbeerbauer, Herr Saikawa, der solche Hilfsangebote koordiniert und dessen Treibhäuser weitgehend gerettet wurden, uns anbot. Obwohl wir nicht in seinen Treibhäusern gearbeitet haben, war er für seinen Kollegen dankbar und sehr großzügig uns gegenüber. Wir haben uns nicht nur satt gegessen, sondern auch Erdbeeren zum Mitnehmen bekommen. Es gibt noch Hoffnung in Japan, solange es solche großzügigen selbstlosen Menschen wie ihn, Ryusuke, Frau Niizuma oder Matsushige-san gibt.
Übrigens möchte ich kurz erwähnen – da ich in Deutschland immer wieder gefragt werde, ob es auch in Japan Dialekte gibt - dass nicht nur ich, sondern auch Ryusuke nur die Hälfte von dem, was Herr Tateyama erzählt hat, verstand. Wir waren auf sein wildes Gestikulieren angewiesen, um zu verstehen, was wir tun sollten :-)
Anschließend besuchten wir noch 2 Kinderhorte, um Wasser zu verteilen. Eine Betreuerin erzählte uns eine Episode von kurz nach der Katastrophe. Die Kinder hatten damals keine Milch und kein Brot. Eines Tages brachte ihnen jemand die fehlenden Lebensmittel. Als sie verteilt wurden, hat ein Kind sein Brot nicht angerührt. Die Betreuerin fragte es, warum es das Brot (das sogenannte Melon-Brot) nicht äße. Das Kind antwortete, dass es das Brot mit seinem Bruder zu Hause teilen möchte. Das Kind war 4 Jahre alt. Als ich dies hörte, musste ich mit den Tränen kämpfen. Welches Elend und welche Liebe zugleich!
Im anderen Kinderhort, aus dem die Kinder übers Dach fliehen mussten (schon erwähnt), habe ich gehört, dass die kleinen Kinder sogar im Schnee gewickelt werden mussten.
Diesmal hatten wir einen Geiger-Zähler, den meine Frau Susanne mir für Ryusuke geschickt hat. In Kamakura maßen wir 0.16 Mikro-Siebert, in Soma 0.50 und unterwegs in Ryosen 6.04. Dies sind die Werte pro Stunde. Bei 6.00 Mikro-Siebert pro Stunde ist es 144 pro Tag. In hundert Tagen ist der Wert 14.4 Mili-Siebert. Wenn man daran denkt, dass der Welt-Durchschnitt der Belastung eines Menschen 2.4 Mili-Siebert ist, kann man leicht nachvollziehen, dass dieser Wert in Ryosen sehr hoch ist. Die Leute, die dort ständig wohnen, ist es eindeutig bedenklich. Auch in Soma lassen die Betreuerinnen die Kinder gar nicht nach draußen. Diese dürfen nicht im Sandkasten spielen.
Wir kamen kurz nach Mitternacht wieder nach Kamakura zurück.
Montag, 9. Mai 2011
Die Bilder zur Miyako-Fahrt
Miyako Fahrt
Miyako, 05. 05. 2011
Am 25. 04. 2011 bin ich von Kamakura nach Shirako-machi zu Tomokazu Mitsuhashi gefahren und habe in seinem Haus übernachtet. Wie schon beim letzten Mal hat mich seine liebe Frau rührend bewirtet. Am nächsten Morgen haben wir uns einen Mini-Bus geliehen und an der Kirche die Hilfsgüter, die die Mitglieder der Kirche vorbereitet hatten, aufgeladen und sind gegen 10.30 Uhr losgefahren. Die Gesamtstrecke ist nur 720 km lang, aber vor und nach der Autobahn mussten wir langsam fahren, so dass wir insgesamt (inklusive der Pausen) 11 Stunden gebraucht haben. In Japan beträgt die zugelassene Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn nur 100 km/h und ich fuhr nur 2 Stunden auf der Autobahn. Nun bin ich aber gut gerüstet für die eigene Fahrt. Gegen 21.30 Uhr in Miyako angekommen, wurden wir herzlich vom mexikanischen Pfarrer Marco, Pfarrer Uesugi aus Sapporo, der die Aktivitäten der freiwilligen Helfer/-innen organisiert, und den Freiwilligen selbst empfangen. Ich war sehr beeindruckt, als ich hörte, dass Pfarrer Uesugi diese Arbeit schon seit 5 Wochen macht, und wochenends immer nach Sapporo zurückfährt, um dort seinen priesterlichen Dienst zu leisten. Er schläft zusammen mit den Freiwilligen (auch Tomokazu und ich) im hinteren Teil der Kapelle auf Tatamis (Reisstroh-Matten) inmitten vieler Kartons mit Hilfsgütern. Beeindruckend ist auch die große Hilfsbereitschaft von allen Seiten. Die Freiwilligen, die jetzt hier sind, sind aus verschiedenen Regionen von Hokkaido. Auch ein junges Mädchen von 18 Jahren, das sich z.Z. für das Eintrittsexamen für die Universität vorbereitet, ist mit dabei. Tagsüber kommen mehrere andere Helfer/-innen dazu. Sie sind nicht nur aus Miyako selbst, sondern auch aus dem ca. 100 km entferntem Morioka. In der „Goldenweek“ (mehrere Feiertage hintereinander) wollen die Leute massenweise nach Tohoku kommen. Und für diese Helfer/-innen bringen die Mitglieder der Kirche immer wieder etwas Leckeres zu essen. Die Solidarität der Menschen ist unwahrscheinlich groß.
Am nächsten Tag bin ich wieder gegen 4.15 Uhr wach geworden. Die Toiletten sind nicht direkt an der Kirche, sondern im Park nebenan. Allerdings sind sie genau an der anderen Ecke des Parks, so dass man etwa 80 m laufen muss. Es gibt zwar ein Pfarrhaus nebenan, aber dort haben die weiblichen Freiwilligen den Vorzug.
Nun sitze ich hier auf einer Bank auf der Straße in Ofuna, einem Bezirk von Kamakura, und schreibe diesen Bericht. Ich habe mittlerweile zwar Pocket WiFi, mit dem ich theoretisch überall ins Netz gehen kann, aber zu Hause in Kamakura dauert es ewig lang, bis ich hineinkomme. Gestern habe ich in einem Bar anderthalb Stunden gearbeitet und viele Fotos von Soma in den Blog hochgeladen. Der junge Chef dort unterstützt auch unsere Aktionen und ich darf seinen Hotspot nutzen, mit dem ich viel schneller Fotos hochladen kann als mit meinem WiFi. Als ich ein Foto, das doppelt geladen wurde, löschen wollte, ist leider der ganze Bericht verschwunden :-( Meine Frustration war ziemlich groß, zumal ich vermute, dass Ihr auf die Bilder wartet. Zum Glück war Takuya, der bei der letzten Fahrt nach Soma mit dabei war, an der Bar, so dass ich bei ihm diesen Frust abladen konnte. Danach ging es mir etwas besser :-) Ich muss nicht nur für Euch, sondern auch für meine ehemaligen Klassenkameraden schreiben, weil sie mich auch finanziell unterstützen. Ich habe auch die technische bzw. organisatorische Seite etwas unterschätzt. Wenn man nicht immer hier lebt, gibt es so viele Dinge, die man klären muss.
Nun zurück zu Miyako: ich bin anschließend in Richtung Meer gelaufen, um die Lage zu recherchieren. Es waren etwa 2 km bis zum Meer. Je näher man ihm kommt, desto größer wird das Ausmaß der Zerstörung. Da ich den genauen Weg nicht kannte, kam ich auf eine Flussbank. Die Kirschblüten waren wunderbar. Obwohl diese Bank etwa 3 m hoch war, waren auch die Häuser innerhalb der Bank von der Welle betroffen. Von der Bank sah ich zum Fluss hinunter. Eine Brücke war zerstört und ich konnte nicht einmal zu Fuß zum anderen Ufer kommen. Auch eine Eisenbahnbrücke war zerstört. Ein etwa 20m langes Eisenstück war zusammen mit den Schienen weggerissen worden. Ich sah 2 Stücke davon an einer anderen Brücke hängen – etwa 500 m entfernt und Fluss aufwärts. Es ist eine gewaltige Kraft des Wassers, das zu „leisten“. Ich traf einen Frühmorgen-Spaziergänger in meinem Alter. Er erzählte mir, dass er die Tsunami-Warnung gehört hätte und sofort auf diese Flussbank heraufkam. Er sah eine riesengroße schwarze Welle vom Meer kommen. Er rannte flussaufwärts ohne zurückzuschauen. Solch ein Drama könnten sehr viele Menschen hier erzählen.
Ich ging weiter Richtung Meer. Am Meeresufer waren mehrere große Gebäude der örtlichen Fischerei. Die meisten hatten nur noch ein Dach, das Innere war völlig zerstört. Auch hier traf ich einen, der in der Fischerei arbeitet. Er erzählte mir, dass die Welle über die höchste Spitze des Dachs des Zentralgebäudes hinweggefegt sei. Sie war schätzungsweise 13-14 m hoch. Ich unterhielt mich mit ihm ca. eine Stunde lang. Diese Leute haben das Bedürfnis zu erzählen, spüre ich. Die freiwilligen Helfer/-innen sollten nicht nur ihre Hände bewegen, sondern auch ihre Ohren und Herzen öffnen.
Um 7.30 Uhr gibt es im Pfarrhaus Frühstück. Danach sind Besprechungen. Anschließend waren wir damit beschäftigt, die Hilfsgüter für den Bazar (kostenlose Mitnahme) am nächsten Tag vorzubereiten. Die Kirchenbänke wurden so angereiht, dass die Sachen sowohl auf der Sitzbank als auch auf der Kniebank abgelegt werden konnten. Danach mussten die Sachen sortiert werden: Reis, Gemüse, Obst, Spielzeuge, Küchengeräte, Schuhe, Wolldecken usw. usw. Für die Kleider konnten wir eine große Halle des Kindergartens nebenan benutzen. Natürlich waren alle Kindergärtner/-innen ganz und gar hilfsbereit.
Einige haben die Flyer an verschiedene Flüchtlingslager verteilt. Ich glaube, das waren etwa zehn Schul-Hallen. Ich war auch mit dabei und fühlte mich mit den dort Hausenden verbunden. Zwei oder drei Tage könnten auch für die Erwachsenen lustig sein, aber über einen Monat dort zu leben, ist sehr traurig anzusehen. So warteten wir auf den nächsten Tag mit gewisser Spannung: wie wird das Wetter morgen sein (Es regnete zu diesem Zeitpunkt) und wie viele Leute werden kommen? Abends gab es wieder Generalbesprechungen. Pfarrer Uesugi organisiert die Sache sehr gut. Dem Gerücht nach – nebenbei bemerkt - soll er ein möglicher Kandidat für den Bischofssitz sein.
Am Tag des Bazars selbst wurden den Helfern/-innen verschiedene Rollen zugeteilt. Ich sollte die Schlange der Wartenden ordnen, was ziemlich einfach war. Denn hier wird praktisch gar nicht gedrängelt. Die Leute sind sehr dankbar und geduldig. Gekommen sind ca. 300 Leute. Es hat mich leicht betroffen gemacht, dass auch fein wirkende Damen in der Schlange waren. Ja, sie haben alles verloren. Sie flohen z.T. nur mit dem, was sie am Leib hatten. Tomokazu Mitsuhashi erzählte mir, dass es auch Leute gab, die sich weinend bedankten, wobei es eigentlich keine besonderen Verdienste derer sind, die finanziell oder einsatzmäßig helfen. Es ist nur eine Pflicht derjenigen, die nicht dasselbe erleiden mussten. Denn diese hatten einfach riesiges Glück. Sind wir uns dessen bewusst? Auch bei uns in Deutschland könnte im Prinzip ein AKW hochgehen oder ein Flugzeug auf das Dach herunterkommen. Die Elbe-Flut ist ja nicht lange her.
Pfarrer Uesugi und wir waren uns einig, dass wir keine Mitnahme-Einschränkungen machen sollten. Denn wir wissen nicht, wie stark die Einzelnen betroffen sind und für wie viele Leute sie Vertreter/-innen sind. Viele haben ihre Autos verloren und manche können wegen der Entfernung nicht bis zur Kirche kommen. Bei dieser Aktion haben wir einen Bezirksleiter getroffen, der verzweifelt war, obwohl es sein Gebiet gar nicht getroffen hatte. Als ich dort war, sah ich relativ gut situierte Häuser in einer ruhigen höher gelegenen Gegend. Von außen sieht man die Misere nicht, aber die Einwohnerzahl dieses kleinen Bezirks hat sich nun fast verdoppelt. Viele konnten das Leben im Lager nicht mehr ertragen und siedelten zu Verwandten in diesem Bezirk über. Es mangelte ihnen sogar am täglichen Reis. Erinnern wir uns an das Gebet „unser tägliches Brot gib uns heute“. Ja, das ist hier die Lage. Beim Bazar habe ich eine Dame aus diesem Bezirk gefragt, was ihr besonders fehle. Sie sagte – typisch japanisch beschämt – „der obere Teil der Unterwäsche“, womit sie den BH meinte. Ich sagte ihr, sie solle das Nötigste auflisten, auch für ihre Freundinnen. Bald werde ich es erfahren und ihnen die fehlenden Dinge schicken. So konkret ist das Bedürfnis hier, das ich mit Euren Spendengeldern erfülle – nicht nur Nahrungsmittel und Küchengeräte. Übrigens teile ich Eure Spendengelder mit Tomokazu Mitsuhashi und Ryusuke Okano. Jeder von uns erhält zunächst ein Drittel. Bis jetzt habe ich die beiden begleitet, so dass meine Ausgaben noch gering sind. Ich beobachte, wo ich hauptsächlich helfen kann. Mein Wunschziel ist Minami-Soma, nachdem ich festgestellt habe, dass Soma keine privaten Hilfstransporte mehr empfängt. Dort scheinen die Hilfsgüter schon ausreichend vorhanden zu sein. Minami-Soma leidet zunehmend unter der Radioaktivität. Ein weiterer Bezirk (Iidate-Mura) muss evakuiert werden. Bis jetzt habe ich aber noch keinen ganz konkreten Anhaltspunkt dort. Am kommenden Samstag reise ich wieder mit Ryusuke nach Soma für einen Arbeitseinsatz.
Am 28. April um 14.00 Uhr hatten wir die letzte Besprechung im Pfarrhaus. Anschließend wurden wir von allen Helfer/-innen sehr herzlich verabschiedet. Tomokazu Mitsuhashi ist wieder die meiste Zeit gefahren. Er scheint sehr gerne zu fahren. Auf dem Rückweg war die Straße freier als auf dem Hinweg, so dass wir nach 9 Stunden zu seinem Haus zurückkamen. Trotz der späten Stunde unserer Ankunft hatte seine Frau wieder etwas Leckeres vorbereitet. Wir tranken etwas Bier und gingen ins Bett. Denn wir mussten am nächsten Morgen früh aufstehen, um das Leihauto zurückzubringen.
Viele liebe Grüße (Gleich folgen die Bilder.)
Michael Daishiro Nakajima
Donnerstag, 5. Mai 2011
Soma Bilder 2
Nun bin ich für diesen Tag fertig nach einer Tasse Kaffee, einer Tasse Tee und ein Donuts, mit dem ich die Benutzung der WiFi "erkaufe". Die jüngen Leute machen das nur mit einer Tasse. Aber wenn man anderthalb Stunden im gut besuchten Stabak-Cafe als gut Erwachsener sitzt, kann man sich das nicht erlauben :-) Heute ist der Kindertag in Japan, ein nationaler Feiertag. Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag, lieber Franzi, aus Ofuna. Und hab einen schönen Geburtstag morgen, lieber Jojo.
Am kommenden Samstag (07. 05. 2011) fahre ich wieder mit Ryusuke und Mikio nach Soma.
Viele liebe Grüße an alle! Michael Daishiro Nakajima