Donnerstag, 7. April 2011

Info 3

Japan-Katastrophe Rundmail Nr. 3        06. 04. 2011

Liebe Freunde/-innen,

Das Echo ist sehr groß. Ich bin begeistert und sehr dankbar für Eure Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft. Viele erzählen es weiter und schicken meine Mail an Freunde und Bekannte weiter. Schon sind mehr als 10.000,- € Spendengelder überwiesen worden. Auch in Japan selbst spenden meine ehemaligen Klassenkameraden für meine Aktion, obwohl sie schon viel anlässlich dieser Katastrophe gespendet haben. Drei von ihnen wollen sogar mit mir in das Katastrophengebiet fahren. Es ist wie ein Lauffeuer. Viele haben offensichtlich auf solche konkrete Hilfsmöglichkeit gewartet.

Ich habe eine Google-Mailing-Liste erstellt, weil ich von Japan aus Bericht erstatten möchte. Durch diese Liste wird das Rundmailen einfacher. Voraussetzung ist aber, dass Ihr Euch mit der Eintragung in diese Liste einverstanden erklärt, nachdem die Einladung Euch schon erreicht haben müsste. Wenn Ihr jemanden kennt, der auch mit in die Liste möchte, dann sagt ihm bitte, er soll mir kurz Bescheid geben. Diesmal schreibe ich noch einmal an die Gruppenadressen von Shinkiryu Aiki Budo und dem Ganztagsgymnasium Osterburken sowie meinen Verwandten, weil die Mailingliste noch nicht komplett ist. Bitte, gebt auch diese Mail an diejenigen weiter, an die Ihr meine letzte Mail geschickt habt. Danke für Eure Bemühungen!
Ich habe auch einen Blog erstellt: http://www.chocobrain.com/my Hierin schreibe ich aus Japan. Aber was ich bis jetzt geschrieben habe, werde ich hier veröffentlichen.

Mittlerweile hat die Nachricht über unsere Hilfsaktion auch die hiesigen Kirchengemeinden erreicht, so dass sie einen noch offizielleren Charakter bekommen hat. Ab jetzt können die Spender an das Konto der Pfarrei Rosenberg überweisen, ohne fürchten zu müssen, das Geld verschwinde irgendwo in die Kirchenkanäle. Denn dies kam durch das Wohlwollen der hiesigen Geistlichen zustande, damit ich vor Verdächtigung durch Polizei oder Finanzamt geschützt bin und/oder damit nicht ein beträchtlicher Teil als Steuer eingezogen wird. Die ganze Spende wird Ryusuke Okano und mir zur Verfügung gestellt für unsere Katastrophenhilfe. Die Bankverbindung lautet: Pfarrei Rosenberg, Konto-Nr. 16250, BLZ 674 617 33, Volksbank Kirnau. Als Verwendungszweck schreibt bitte „Japanhilfe“.

Am 12. April werde ich nach Japan fliegen und bis 31. Mai (7 Wochen) dort bleiben. (Deswegen kann die Spende auch nach dem 12. April überwiesen werden.) Insgesamt ca. 4 Wochen davon könnte ich für die Hilfsaktion verwenden.

Es ist nun auch fest geregelt worden, dass ich mindestens einmal mit Ryusuke zusammen in das Katastrophengebiet fahren werde. Das wird wahrscheinlich Minami(=Süd)-Soma-City ca. 25-30 km nördlich von AKW Fukushima 1 sein. Trotz der großen Nähe zum AKW ist der Strahlenmesswert ziemlich niedrig. Nichtsdestotrotz wollen viele Helfer nicht in dieses Gebiet hinein, so dass die Leute auf Hilfe von außen sehnlichst warten. (Hier der Hilferuf des dortigen Bürgermeisters. Am Anfang kommt was anderes, aber nach 10 Sekunden sieht man sein Gesicht: http://tv.repubblica.it/dossier/giappone-terremoto-tsunami/il-sindaco-giapponese-chiede-aiuto-moriremo-di-fame/65405?video=&pagefrom=1&ref=HREC2-8) Ryusuke war schon dort mit Medikamenten usw..
Es könnte natürlich auch Wiederholungen mit ihm geben, aber ich werde auch mit einem meiner ehemaligen Klassenkameraden namens Hiroji Arai im Gebiet von Sendai agieren. Sendai liegt etwa im gleichen Breitengrad wie das Epizentrum. Hier ist der Einfluss der Radioaktivität viel geringer, aber die Zerstörung viel größer. Es muss noch unglaublich viel Aufräumarbeit geleistet, um die Flüchtlinge gekümmert und Hilfsgüter transportiert werden. Manchmal bekommt man hier den Eindruck, dass die so hoch technisierten Japaner ausgerechnet hier nur langsam arbeiten würden. Es ist aber ein Irrtum, wenn man denkt, dass man alles mit Baggern schnell beseitigen könnte. Unter den ehemaligen Häusern und Schutt sind noch Leichname und das Eigentum einzelner Familien. Mit Recht wird das nicht einfach mit schwerem Gerät weggebaggert. Es waren eben nicht einfache Blechhütten in denen ohnehin nichts Wertvolles war. Manche Besitztümer müssen identifiziert werden. Manch einer entdeckt ein paar hundert Meter entfernt sein Familienalbum z.B. Darin sind die Bilder der in der Flut für immer verschwundenen Angehörigen wie Vater, Mutter, Geschwister usw. Wenn sie ohnehin fast alles verloren haben, wer kann es übel nehmen, wenn sie zumindest ein kostbares Möbel oder Andenken retten wollen. Und man sollte bedenken, dass ein Küstenstreifen von 600 km Länge mit mittelgroßen Städten betroffen ist. Man ist nun fieberhaft dabei, Behelfswohnungen und Container zu bauen, um den Menschen ein Minimum an Privatleben zurückzugeben, die bislang zusammengepfercht in Turnhallen ihr Dasein fristen.
Das 3. Ziel ist Soma-City ca. 50km nördlich von Fukushima 1. Dort im Rathaus arbeitet meine entfernte Verwandte. Soma hat viele „Atom-Flüchtlinge“ aus Süden, die aber eher vernachlässigt werden gegenüber den Menschen in den Ortschaften, die total vernichtet wurden. Die Häuser dieser Menschen stehen zwar zum Teil noch, aber sie werden nicht dorthin zurückkehren können, so dass sie etwa gleich (oder schlimmer) betroffen sind wie jene, deren Häuser vernichtet wurden, abgesehen natürlich davon, dass diese oft auch den bitteren Verlust der Angehörigen verkraften müssen.
Das 4. Ziel liegt ganz im Norden. Die Hafenstadt heißt Miyako. Sie wurde völlig vernichtet. Auch hier habe ich eine Bezugsperson, die ein katholischer Pfarrer ist. Er war noch vor kurzem in der Pfarrei von Miyako tätig und arbeitet nun in der Pfarrei meines anderen ehemaligen Klassenkameraden namens Tomoichi Mitsuhashi auf der Boso-Halbinsel östlich von Tokyo. Er ist sehr aktiv in der Pfarrei, so dass er auch bei der diesmaligen Hilfsaktion eine tragende Rolle spielt.

Auf jeden Fall ist es gut, dass ich mit Ryusuke die erste Aktion mache, weil er schon Erfahrungen gesammelt hat. Es ist zwar für mich nicht das erste Mal, solche Hilfsfahrt zu organisieren – mitten im Balkankrieg habe ich mit Jürgen Dimt als meinem idealen Partner mit Mut und Besonnenheit einen Hilfstransport nach Bosnien bis 5 km vor der Kriegsfront unternommen -, aber die Situation ist diesmal ganz anders. Damals flogen die (sichtbaren) Geschosse auf die Adria-Küstenstraße noch frisch einen Tag vor unserer Fahrt, aber diesmal gibt es die unsichtbare Bedrohung durch Radioaktivität. Ryusuke hat die von den Erdbeben und Tsunami völlig vernichteten Städte und Dörfer kennengelernt, so dass ich von seinen Erfahrungen viel profitieren kann. Natürlich werde ich mich nicht ohne Not der Strahlung aussetzen. Aber es wäre für mich unverzeihliche Feigheit, die leidenden Menschen wegen evtl. drohender eigener Gefahr im Stich zu lassen. Es kocht in mir immer noch die Wut hoch, wenn ich daran denke, dass die NATO die 6000 Menschen in Srebrenica/Bosnien im Stich gelassen hat und praktisch vor ihren Augen hinschlachten ließ! Natürlich hat sie das nicht „gesehen“!!?? Hoffentlich verstehen mindestens alle meine Budo-Schüler/-innen ausnahmslos dieses mein Anliegen. Ich habe aber von meiner vergangenen Erfahrung nicht deswegen erzählt, weil ich prahlen möchte, sondern weil viele von Euch liebenswürdigerweise sehr um mich bangen. Ich wollte nur sagen, dass ich nicht ein nackter Anfänger bin und naiv handle. Der unvergessliche Spruch von Jürgen Dimt – damals sind wir mit 2 Kleinbussen gefahren, also jeder einen Bus - , als ich mich entschuldigte, dass er auf mich warten musste: „Für Dein Alter fährst Du gut.“ Ich fasse diesen Spruch so auf, dass ich, je älter ich werde, desto besser fahre.

Was wir machen können, ist trotz Eurer großherzigen Hilfe ganz gering. Es ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Aber auch ein winziger Tropfen ist der Anfang der Kühlung des Steins, selbst wenn jener in einer Sekunde verdampft und unsichtbar wird. Deswegen ist auch die mentale Hilfe sehr wichtig. Ich freue mich sehr, dass einige Leute schon die Kindergartenkinder und die Schüler motivieren, Ansichtskarten zu schreiben. Es muss nicht eine gedruckte Karte sein, sondern gern auch eine selbstgemalte. Diese könnt Ihr weiterhin an Ryusuke schicken oder an meine Adresse in Japan: Daishiro Nakajima, O-machi 5-4-31, Kamakura-shi, 248-0007 Japan oder an Tomoichi Mitsuhashi, Ushigome 928-1, Shirakomachi, Chosei-gun, Chiba-ken, 299-4202 Japan. Die Karten an mich müssen aber bis zum 20. Mai dort ankommen (normalerweise braucht eine Air-Mail von Deutschland nicht länger als 5 Tage.) Danach könnt Ihr weiterhin die Karten an Ryusuke oder Tomoichi schicken, weil sie langfristig für den Wiederaufbau der betroffenen Gegenden arbeiten werden. Dort ist ja längerfristige Aufbauhilfe von Nöten. Deswegen kann auch die Spende dauerhaft sein. Was in unsere Konten eingeht, wird auch nach meiner Rückkehr ihnen zu Gute kommen.
Übrigens ist die Konto-Nr. von Ryusuke – falls jemand ihm direkt Geld senden möchte - wie folgt: Ryusuke Okano, Konto-Nr. 4136241, Filialnr. 353 (unbedingt nötig), Mizuho Bank, Shinjuku Nishiguchi Filiale. Dies ist sein Spendenkonto, aber kein öffentlich anerkanntes. Deswegen kann es keine steuererlassfähige Bescheinigung geben. Dass das Geld in guten Händen ist, ist trotzdem sicher. Ryusuke nennt sich Environmental activist, also Umweltaktivist. Er ist 35 Jahre alt und seine Jobs (z.B. Barkeeper) sind dafür da, dass er die Umweltaktion durchführen kann. Sein Traum ist die ganze japanische Küste zu Fuß zu bereisen, während er die Strände reinigt, wenn er eben nicht mit der Katastrophenhilfe beschäftigt ist. (Er hat schon einige hundert Kilometer erlaufen!) Seine Homepage lautet: www.bcwalk.com
Am Ende danke ich Euch allen für Eure wunderbare Hilfe noch einmal. Der Himmel wird Eurer reichlich gedenken.

Viele liebe Grüße Michael Daishiro Nakajima

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